Schwedens dritter Weg – wie geht das eigentlich? - Jugendreisen Henser

Schwedens dritter Weg – wie geht das eigentlich?

Die Faszination für Schweden hat viele Facetten.

Wir wundern uns, was Menschen emotional beflügelt, wenn sie schwedischen Boden betreten. Die großen Themen sind längst medial und touristisch wirksam genutzt: Wälder und Seen, Elche und Bären, Pippi Langstrumpf und Kommissar Wallander, Ikea und Volvo, Köttbullar und Julbord. Alles gehört zum Leben in Schweden – und natürlich auch zu einem willkommenen Image.

Aber nicht nur die ausgeprägte Kultur unseres nördlichen Nachbarn ist interessant. Auch und gerade das Innenleben der schwedischen Gesellschaft birgt so manche Überraschung. Hier ein paar meiner persönlichen Überraschungen:

Ein Schwede hat ausgeprägtes Vertrauen zu seinem Staat.

Seit Jahrzehnten hat jeder Schwede eine Personalnummer, digital auslesbar, individuell zugeordnet und jedem öffentlich bekannt. Nur mit dieser Nummer darf man Kredite oder Handyverträge abschließen, bei der Anmeldung zur KITA wird sie selbstverständlich erfragt, steht auf deinem Monatsticket, ist unabdingbar beim Autokauf. Nur mit dieser Nummer bist du richtiger Schwede. Das stört niemanden.

Die Finanzbehörde ist nach Umfragen in den letzten Jahren häufig zur beliebtesten Behörde des Landes gekürt worden. Für uns Deutsche doch unvorstellbar! Aber das schwedische Steuersystem hat viele Vorteile. Es ist einfach zu verstehen. Steuern zahlen ist ein Akt der Solidarität. Nachfragen zur Steuererklärung werden zügig und bürgerfreundlich erklärt. Persönliche Einkünfte haben bei weitem nicht den Stellenwert wie in anderen Staaten. Man könnte, wenn man wollte, sogar die Steuererklärung des Nachbarn einsehen.

Dauerwohnrecht

Eine besondere und gewöhnliche Art des Wohnens ist das schwedische „Bostadsrätt“ = Dauerwohnrecht. Man erwirbt in der Regel ein Wohnrecht an einer Wohnung, einem Haus oder einem Grundstück. Gerade in Großstädten ist das „Bostadsrätt“, das Dauerwohnrecht“ die gewöhnliche Wohnform. Wohnungsbesitzer ist dann in der Regel eine Genossenschaft.

Bild: ©Simon Paulin_imagebank.sweden.se

Schweden sind Meister der Diplomatie,

egal ob beruflich oder im Alltag. Auf nachfragende Bitten gibt es niemals ein „Nein“ zur Antwort. „Det blir svårt“ – das wird schwer – ist die deutlichste Absage, die zu erwarten ist. Es gibt auch kein schnelles „Ja“. Selten werden Verträge direkt zu einem Ende geführt. In der Regel benötigt der schwedische Partner vor jeder Unterschrift noch ein „möte“, ein Treffen, oder auch zwei. Auf eine Entscheidung warten zu müssen, ist für einen deutschen Partner oft unerträglich anstrengend. Geschäftspartner nennen diese Haltung ironisch das „drei Schritte vor und zwei Schritte zurück Prinzip“. Was lange währt, wird endlich gut: Die Ergebnisse sind oft von herausragender Qualität

Jantelag

Niemand rühmt sich stolz seiner Leistungen, niemand spielt sich in den Vordergrund. „Ich glaube, ich habe das ganz gut gemacht“ ist schon fast ein unzulässiges Selbstlob. „Jantelag“ ist der prägende Begriff, der sagt, niemand stelle sich als besser oder klüger über seine Mitmenschen. Klassische Statussymbole sind bei Weitem nicht wichtig.

Der “dritte Weg”

Schwedens „dritter Weg“ ist die politische Einordnung der Staatsstruktur zwischen Kapitalismus und Kommunismus nach dem zweiten Weltkrieg. Der Staat wagte jahrzehntelang den gesellschaftlichen Versuch, eine starke und wirtschaftlich arbeitende Produktion mit einer lebenswerten und von gewerkschaftlichen Rechten geprägte Arbeiterschaft zu verbinden. Diese von der Sozialdemokratie geprägte Lebensweise hat sich tief in das Verhalten des Volkes eingebrannt. Über weite Strecken haben die Sozialdemokraten das Land regiert und geprägt aber natürlich sind auch immer wieder andere politisch Kräfte am Zuge gewesen. Minderheitenregierungen gehören zum guten politischen Ton und sind durchaus handlungsfähig, denn Einsicht ist ein hoher gesellschaftlicher Wert.

Corona

Insgesamt ist es nicht verwunderlich, dass auch in der Corona Zeit spezielle schwedische Lösungen gefunden wurden. Der Staat ist deutlich zurückhaltender mit Vorschriften als in vielen anderen Staaten. Vieles wird sehr gut erklärt, immer wieder wird um Einsicht gerungen. Die Autorität des Staates und seiner Organe wird nicht in Frage gestellt. Den Aussagen des Gesundheitsamtes wird vertraut und wichtigen Hinweisen wird selbstverständlich gefolgt.

Dieses sind ein paar gesammelte Entdeckungen in einer bunten schwedischen Gesellschaft, in der wir als Gast willkommen sind, wenn wir uns ihr sensibel nähern. Ihr entdeckt sicher noch viel mehr Liebenswertes und Ungewöhnliches, wenn Ihr selbst auf Entdeckungstour geht.

Beitragsbild: ©Emelie-Asplund_imagebank.sweden.se_-scaled.jpg

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